Ich habe an dieser Stelle bereits ein paar Mal gegen herkömmliche «Feedback»-Praktiken angeschrieben. Der Grund dafür ist, dass hinter diesen Praktiken eine Reihe von problematischen Annahmen stehen, die ich nicht unterstütze (z.B. es gibt für alles eine beste Art, es zu tun). Die Absicht hinter Feedback als Prozess ist hingegen meistens durchaus eine positive: Man will Mitarbeitenden dabei «helfen», sich weiterzuentwickeln. Genau für diesen Zweck eignet sich von mir aus gesehen besser ein Format, das unter dem Buzzword «Feedforward» bekannt geworden ist und ursprünglich von Marshall Goldsmith entwickelt wurde. Es reiht sich ein in eine Sammlung von Praktiken, welche weniger die Vergangenheit, sondern die Zukunft im Fokus haben (z.B. Reteaming, lösungsfokussiertes Coaching, Working-Out-Loud).
Lieber Probleme oder Lösungen?
Traditionelles Feedback fokussiert auf der Vergangenheit und ist deshalb limitiert auf Dinge, welche bereits konkret passiert sind. Der Aspekt der Innovation, des ganz Neuen fällt völlig weg. Aber: Warum sollte man ausgerechnet bei der eigenen Entwicklung bei dem bleiben, was man bereits kennt?
Feedback mit Fokus auf der Vergangenheit schafft auch eine gewisse Resignation, manchmal Scham- und Schuldgefühle. Das Geschehene können wir nicht mehr ändern. Feedforward fokussiert dagegen auf der wünschbaren Zukunft und schafft Energie, diese positiv zu beeinflussen.
Feedback können nur Personen geben, die eine direkte Erfahrung mit der Feedback-empfangenden Person hatten. Bei Feedforward ist es nicht im voraus definiert, wer die gebende und wer die nehmende Person sein muss. Jede kann grundsätzlich jedem ein potentiell nützliches Feedforward geben. Feedforward wird auch nicht erst gegeben, wenn eine Reibung oder Spannung sichtbar geworden ist, sondern jederzeit.
Feedback versucht, die Nehmenden an die Wünsche und Erwartungen der Gebenden anzugleichen. Sowohl Ist wie Soll werden beim Feedback von den Feedback-Gebenden definiert, die Empfangenden führen im besten Fall aus, können im schlechten Fall aber gar nichts damit anfangen.
Bei Feedforward hingegen stehen die die Veränderungswünsche des Nehmenden im Zentrum. Es ist für uns leichter, Dinge anzugehen die wir selber angehen wollen als Dinge, die jemand anders als unsere Ziele sieht (und die wir womöglich ganz anders wahrnehmen). Beim Feedforward verlieren wir keine Zeit mit Aushandeln, wessen Wahrnehmung aus welchen Gründen «richtiger» ist – wir können direkt in die Zukunft starten.
Bei beiden Methoden wird aber eine Differenz zwischen Ist und Soll wahrgenommen und dazu angeregt, einen Schritt in die Richtung des Soll zu machen.
Feedforward: So funktioniert es
Für Feedforward finden sich Paare von je zwei Personen zusammen. Dies kann zufällig oder selbstgewählt geschehen. Der Ablauf von Feedforward besteht dann aus 5 Schritten:
- Person A wählt eine eigene Verhaltensweise aus, in der sie sich eine Änderung wünscht. Die Änderung sollte in ihrer eigenen Wahrnehmung auf ihr (Arbeits-)Leben einen positiven und wichtigen Einfluss haben.
- Person A beschreibt die gewünschte zukünftige Verhaltensweise möglichst farbig und umfassend an Person B. Person B hört nur zu und achtet darauf, dass die folgenden Regeln eingehalten werden:
- Das gewünschte positive Verhalten wird beschrieben. Also: «Ich möchte souverän auftreten. Souverän würde für mich heissen, dass ich klar spreche und Fragen selbstbewusst beantworten kann.» Hingegen nicht: «Ich möchte nicht mehr so nervös sein und beim Auftreten nicht mehr rot werden.» (In diesem Fall fragt Person B: «Was möchtest du stattdessen?»).
- Person B stellt der Person A zwei Ideen zur Verfügung, wie diese sich ihrem Verhaltensziel annähern könnte. Wichtig: Wenn die zwei Personen zusammenarbeiten, dürfen sie sich kein Feedback zu Ereignissen in der Vergangenheit geben. Es geht nur um Ideen für die Zukunft!
- Auch hier ist auf eine positive Formulierung zu achten, also «Wie wäre es, wenn du vor dem Auftritt an einen rosa Elefanten denkst?» eher als «Was, wenn du einfach nicht daran denkst, was passieren könnte?»
- Person A hört aufmerksam zu und macht sich eventuell Notizen. Sie bedankt sicht, gibt aber keine Rückmeldung zu den Ideen (d.h. «Das habe ich schon probiert!» oder «Das funktioniert leider nicht, weil…»).
- Danach tauschen A und B die Rollen, und Person A fragt, welche Verhaltensweise sich Person B für die Zukunft von sich selber wünscht.
Besonders kreativ wird der Prozess, wenn das Feedforward reihum in einem Kreis von mehreren Personen (z.B. im Team) passiert, da man dann einen ganzen Strauss von Ideen für die Zukunft erhält. Gerade auch von Personen, welche sich gar nicht kennen.
Was nützt Feedforward?
Die eigene Entwicklung bzw. das eigene Lernen muss nicht schambehaftet und unangenehm sein. Die meisten Personen lernen gerne, wenn sie ein angenehmes Umfeld dafür haben. Dies wird beim Feedforward angestrebt. Der Fokus liegt darauf, Menschen zu helfen, das Erwünschte zu tun, eher als sie davon zu überzeugen, was sie «falsch» gemacht haben.
Und was nun, wenn jemand partout nicht sieht, was er oder sie «falsch» macht? Zum Thema «richtig und falsch» empfehle ich grundsätzlich diesen Blogartikel. So einfach ist es damit nämlich nicht. Als beurteilende Person bin ich nicht objektiv, sondern immer auch von meinen eigenen Bedürfnissen geprägt. Weder Feedback noch Feedforward sind geeignete Prozesse, um sich über gegenseitige Erwartungen und Bedürfnisse auszutauschen. Soll eine Entwicklung im Vordergrund stehen, eignet sich meiner Meinung nach Feedforward aber besser. Es ist verblüffend, wieviel Lernbedarf wir tatsächlich auch bei uns selber sehen, wenn wir den Raum dafür erhalten.
Der Prozess selber regt auch immer wieder zur Reflexion darüber an. Lernbedarf ist nicht der Ausnahmefall und deshalb schambeladen, sondern etwas Normales, das alle haben. Alle Teilnehmer in einer Feedforward-Runde haben ein Thema. Indem eigene Ziele fürs Gegenüber transparent gemacht werden, schafft die lernende Person Verständnis und Commitment. So können die Eingeweihten die Lernenden auch sanft im Alltag unterstützen und kleine Schritte positiv verstärken.