Lösungsfokussierte OKRs – so gehts!

OKRs (Objectives – Key Results) sind eine von Google entwickelte und heutzutage verbreitete Methode zur Zielsetzung, die ich hier bereits einmal beschrieben habe. Dabei werden die Ziele kurzfristig, z.B. pro Quartal gesetzt und oft im Team gemeinsam diskutiert. Wie bei den meisten Zielsetzungsmethoden kann man darüber sprechen, was alles noch nicht so gut läuft und sich Ziele setzen, diese Probleme endlich zu beheben. Andererseits: Könnte man die OKR-Session ganz ohne Problemthematisierung abhalten, also rein lösungsfokussierte OKRs setzen?

Problemfokussierte oder lösungsfokussierte OKRs?

Warum nicht über Probleme reden? Die Beschäftigung mit der erwünschten Zukunft schafft naturgemäss mehr Motivation und positive Energie, als das Aufarbeiten von Fehlern und Schiefgelaufenem in der Vergangenheit. Auch verschwendet man weniger Zeit darauf, die aktuellen Probleme zu analysieren bzw. überhaupt einen Konsens herzustellen, wo genau was falsch gelaufen ist. Oft ist es tatsächlich so, wie es der Steve de Shazer zugeschriebene Satz besagt: «Der Lösung ist es egal, wie das Problem entstanden ist».

Kann und soll ich denn die Probleme einfach ignorieren? Sie werden bei diesem Vorgehen weder «ignoriert» noch «kleingeredet». Wir arbeiten sehr genau am Ziel – wir betrachten einfach die halbvolle Seite des Glases mehr als die halbleere. Denn: Wenn ich ein Problem habe, weiss ich implizit auch immer sofort, was der Sollzustand ist. Es ist nicht möglich, ein Problem zu haben, wenn ich keine Differenz zu etwas wahrnehme. Und dieses «Etwas» steht bei der Lösungsfokussierung im Zentrum. Man kann sich statt mit dem Problem genauso gut mit dem Sollzustand auseinandersetzen. Dies hat auch noch einen zweiten Vorteil: Die Differenz zu einem Sollzustand kann nämlich auch mehr beinhalten als das aktuell im Fokus stehende Problem!

Wie nun aber würde eine Planungssitzung für lösungsfokussierte OKRs in einer Firma oder einem Team ablaufen? Der folgende Ablauf stellt dies anhand von vier Schritten mit entsprechenden Fragestellungen an einem Beispiel dar. Das Beispiel geht davon aus, dass sich eine kleinere Firma anhand eines OKR-Meetings gemeinsam mit den Zielen fürs nächste Quartal beschäftigt.

Schritt 0: Rahmenbedingungen für die klären

Im ersten Schritt geht es darum, den Rahmen für das OKR-Meeting und das Setzen der lösungsfokussierten OKRs allgemein zu klären. Damit wird der Fokus für das Meeting gesetzt und bei allen Beteiligten erstes Engagement mobilisiert.

Diese Fragen leiten den Schritt: Wenn wir diese OKRs erfolgreich und nützlich bestimmt haben, wie wird sich das in deinem Alltag zeigen? Welche Veränderungen erhoffst du dir für nachher? Wer würde merken, dass wir hier mit einem neuen lösungsfokussierten Ansatz gearbeitet haben?

Ich werde mehr Energie und Lust haben, mich mit den gesetzten OKRs auch zu beschäftigen. Möglicherweise wären die OKRs auch generell relevanter gesetzt als vorher – vielleicht würde ich mich sogar mehr trauen? Es wird deshalb mehr Motivation spürbar sein, das Geplante auch anzugehen und umzusetzen. Merken würde ich es selber, vielleicht aber auch meine Kunden und Kundinnen.

Schritt 1: Genüssliche (!) Auslotung der erwünschten Zukunft

Diese Fragen leiten den Schritt: Wo möchte ich in einem Quartal sein? Was machen wir dann als Firma? Was sagen die Kunden und Kundinnen über uns? Wer genau macht was anders, oder etwas ganz anderes? Hier ist es verboten, zu beschreiben, was wir «nicht mehr» machen – nur konkrete Schilderungen, was denn anstelle dessen sein sollte, sind erlaubt. Man darf hier wünschen, als würde die vielbeschworene Fee vor einem stehen – zu viel Realismus ist fehlt am Platz, denn dieser hindert die Ambition.

Wir haben als Firma eine gut gefüllte Pipeline, mit sehr guten Kontakten zu bestehenden und prospektiven Kunden. Es haben sich viele interessante neue Projekte ergeben, die wir zusammen mit unseren Kunden co-kreiert haben. Unsere Qualität hat sich noch verbessert, wir konnten die Neugier unserer Mitarbeitenden nutzen, um uns methodisch und technologisch noch zu steigern. Wir bekommen deshalb sehr gutes Feedback über die Leistung unserer Produkte und sind im Ranking hier vor unserer Konkurrenz. Unsere Firma wird vermehrt auch über das Internet gezielt gefunden und angeschrieben. Susanne gelingt es nun, in Verkaufsgesprächen noch klarer darzustellen, was unser Produkt kann und welchen Nutzen die Kunden davon haben. Sascha hat einen Weg gefunden, die technologischen Schwierigkeiten im Bereich X zu lösen und Lorena ist in den Bereich Legal eingestiegen und weiss Bescheid, wofür wir externe Unterstützung brauchen und wofür nicht.

Schritt 2: Lösungsfokussierte OKRs: Objectives konkretisieren

Nun – erst jetzt! – destilliert die Gruppe die einzelnen Elemente der erwünschten Zukunft heraus – unsere lösungsfokussierten «Objectives». Diese sind jetzt zu konkretisieren, auch wenn wir sie hier noch nicht konkret «messbar» machen (sie würden dann zu schnell an Aussagekraft einbüssen). Im obigen Beispiel wären dies zum Beispiel:

  • Gut gefüllte Pipeline: Woran würden wir merken, dass die Pipeline «gut gefüllt» ist?
  • Sehr gute Kontakte zu Kunden: Was und wen meinen wir damit? Was ist ein «guter Kontakt»?
  • Viele interessante neue Projekte: Was ist ein «interessantes Projekt»? Für wen ist es «interessant»?
  • Methodische und technologische Qualität: wie bereits oben beschrieben gemessen über die das Kundenfeedback
  • Firma wird über das Internet gezielt gefunden: Woran merken wir das? Wer merkt das konkret?
  • Susannes Verkaufsgespräche: Woran merkt sie, dass es «klarer» ist und dass ihr das wirklich gelingt? Woran merken wir es?
  • etc.

Schritt 3: Status Quo messen und das halbvolle Glas beachten

Danach schätzen wir für jedes Element ein, was der Status Quo ist und beachten das halbvolle Glas: Welche Erfolgsstrategien haben uns dorthin geführt? Was macht uns zuversichtlich, dass wir in die richtige Richtung unterwegs sind? Wie hat jeder und jede positiv dazu beigetragen, dass es so ist, wie es ist? Was war sonst noch nützlich?

Was die Pipeline angeht, so denke ich, stehen wir auf einer Skala von 1 – 10 ungefähr auf einer 2. So ein, zwei Projekte sind ja eigentlich meistens in Aussicht. Viele kommen aus Thomas’s Netzwerk und von Susannes Präsenz an den Messen. Vor allem bei kleineren Projekten sind wir da eigentlich richtig gut unterwegs. Was auch hilft, ist dass unser Office auch am Abend noch besetzt ist – so können wir Probleme der Kunden auch noch lösen, wenn die Konkurrenz im Feierabend ist. Das spricht sich offenbar herum.

Es lohnt sich, in diesen Schritt so viel Zeit wie möglich zu investieren. Nicht, um einen Konsens zu erreichen, wo auf der Skala man sich befindet. Vielmehr sollte der Fokus darauf liegen, dass möglichst viele Leute ihre Beobachtungen über bereits funktionierende Strategien einbringen können.

Schritt 4: Lösungsfokussierte OKRs: Nächste Schritte ausloten, Key Results definieren

Danach sind wir bereit für den nächsten Schritt: Wir stellen uns vor, wir wären auf der Skala noch «einen kleine Schritt weiter als heute». Also z.B.: Was würden wir konkret anders machen, wenn wir im Bezug auf die Pipeline-Skala nun auf einer 3 wären statt auf einer 2? Was wären die persönlichen Beiträge von Einzelpersonen dazu gewesen? Woran würden wir merken, dass Fortschritte da sind?

Auf der 3 würden wir bereits auch Aufträge aus dem Netzwerk von andern bekommen. Arya könnte zum Beispiel jeweils zu den Meetups der Women in Business gehen. Wir würden auch im November noch an eine Messe gehen, statt nur im Frühling. Auch hätten wir das Thema «Abend-Office» prominenter auf unserer Homepage präsentiert.

Daraus ergeben sich also für unsere lösungsfokussierte OKRs folgende Key Results:

  • Regelmässige Teilnahme an den Meetups der Women in Business mit X neuen Kontakten
  • Teilnahme Messe im November mit X neuen Kontakten
  • Abend-Office ist auf der Homepage besser vermarktet

Man sieht sofort, dass solche «Key Results» näher am aktuellen Thema und möglicherweise zielführender sind als eine blosse quantitative Forderung «Wir wollen neu 3 statt 2 Projekte in der Pipeline haben». Dieses Resultat kann nämlich kaum direkt kontrolliert, sondern lediglich beeinflusst werden. Auf jeden Fall ist zu vermeiden, dass der Blick in die Zukunft zu weit gesetzt wird. «Was würden wir denn tun, wenn wir auf der Skala auf einer 9 wären?» wäre eher demotivierend. Diese Zukunft ist möglicherweise noch so weit weg, dass sie zu wenig Anziehungskraft hat, um konkrete Schritte zu entwickeln.

Und was jetzt?

Damit sind die OKRs definiert, das lösungsfokussierte OKRs-Meeting wird mit einer kleinen beschliessenden Aktivität geschlossen, das Team begibt sich in den Apéro.

Ist alles so gelaufen, wie beabsichtigt, spürt man oft förmlich die Energie im Raum. Die Mitarbeitenden sprühen vor Tatendrang, möchten das meiste direkt angehen und umsetzen. Vielleicht führt das dazu, dass statt pro Quartal mit kleineren Intervallen gearbeitet werden muss? Oder aber, die OKRs werden bereits im nächsten Monat schon erreicht und zusätzlich passiert ganz viel Zielführendes, das gar nicht in den OKRs stand? Ich bin gespannt auf die positiven Effekte und höre gerne von persönlichen Erfahrungen mit diesem Tool (kontakt@in-gang.ch).