Motivation – Warum man nicht nicht motiviert sein kann

Arten von Motivation

Was motiviert uns eigentlich, im Homeoffice überhaupt noch zu arbeiten? Auch wenn Sie denken, Sie seien dazu überhaupt nicht motiviert – irgendetwas motiviert Sie gerade. Für Ihr Wohlbefinden und auch für die Qualität Ihrer Arbeit kommt es jedoch sehr darauf an, welcher Art diese Motivation ist. Und das Beste – das Nachdenken über die Art der Motivation kann bereits helfen, die Motivation zum Guten hin zu verbessern!

Kürzlich bin ich wieder auf das Modell der amerikanischen Managementberaterin Susan Fowler (Referenz ganz unten) gestossen. Sie unterscheidet 6 verschiedene Zustände von Motivation, die ich hier kurz anhand des Beispiels «Homeoffice wegen Corona» illustrieren möchte.


Die 6 Zustände von Motivation (Fowlers «Spectrum of Motivation»)

Uninteressiert (disinterested)

Man sieht keinerlei Zusammenhang zwischen der Aktivität und seinen eigenen Werten oder irgendetwas Sinnvollem. Die Energie, sich damit auseinanderzusetzen, fehlt .

Ich mache meine Arbeit im Homeoffice und that’s it. Mit der Frage «Warum?» beschäftige ich mich lieber gar nicht, ich habe sonst genug Stress.

Extern (external)

Man tut es, weil man sich davon materielle oder immaterielle Vorteile erhofft – oder negative Konsequenzen für sich selber vermeiden möchte.

Wenn ich an der dreitägigen virtuellen Weiterbildung teilnehme, bekomme ich den versprochenen Bonus dieses Jahr.

Weil ich Ende Jahr befördert werden will, schaue ich darauf, dass ich auch im Homeoffice immer alle Deadlines einhalten kann.

Aufgezwungen (imposed)

Man tut es, weil man gefühlt keine andere Wahl hat oder niemanden enttäuschen will. Hier ist vor allem die emotionale Komponente wichtig – das Vermeiden von Gefühlen wie Scham oder Angst.

Die Firma hat Homeoffice angeordnet, also mache ich das halt – sonst würde ich negativ auffallen.

Meine Frau wäre sehr enttäuscht, wenn ich ihr nicht ab und zu die Arbeit mit den Kindern abnehmen könnte, deshalb arbeite ich im Moment eher zu Hause.

Aliniert (Aligned)

Man tut es, weil die Aktivität zu etwas passt, was man im Leben wichtig findet (eigene Werte).

Ich lerne gerne neue Dinge – es kann nicht schaden, wenn man weiss, wie virtuelle Meetings abgehalten werden.

Homeoffice gibt mir die Gelegenheit, den Sport und den Erhalt meiner Fitness besser in meinen Alltag zu integrieren.

Integriert (Integrated)

Man tut es, weil die Aktivität dazu passt, wie man sein Leben als Ganzes gestalten möchte (Lebenssinn).

Für mich ist es zentral, dass wir als Gesellschaft die Schwachen schützen. Wenn ich zuhause bleibe, trage ich dazu etwas Sinnvolles bei.

Mein Einsatz als Verkäuferin im Coop hilft, die Grundversorgung mit Lebensmitteln für alle zu gewährleisten.

Inhärent (Inherent):

Man tut es, weil die Aktivität als solche Spass macht. Dies kann sogar dazu führen, dass man völlig die Zeit vergisst.

Ich finde Skypen mit Leuten auf allen Kontinenten lustiger, als Leute in der Realität zu treffen. Momentan haben alle Zeit und sind zuhause, das ist richtig cool.


Die drei Arten in der oberen Reihe – Uninteressiert, Extern, Aufgezwungen – sind dabei die suboptimalen Motivationszustände. Was wir eigentlich wollen, ist eine der drei Arten von Motivation in der unteren Spalte – Aliniert, Integriert oder Inhärent. Nur bei diesen drei optimalen Motivationszuständen erlebt man sich selber als autonom, kompetent und sinnvoll. Man fühlt sich wohl und kann so nachhaltig etwas leisten.

Zum Glück sind die suboptimalen Zustände nicht dauerhaft oder für eine bestimmte Tätigkeit und Person fixiert. Tatsächlich kann man sich für die gleiche Tätigkeit von einem weniger optimalen zu einem besseren Motivationszustand bewegen. Es kann also sehr interessant sein, sich einmal mit der eigenen Motivation zu beschäftigen.

Von der suboptimalen zur optimalen Motivation: Ein Selbst-Coaching

Wählen Sie dazu irgendeine Tätigkeit, z.B. die Teilnahme an einem virtuellen Meeting, das gerade ansteht.

  • Finden Sie als Erstes heraus, in welchem Motivationszustand Sie sich für diese Tätigkeit gerade befinden.
  • Sind Sie in einem der optimalen Zustände gelandet? Freuen Sie sich und schauen Sie gut dazu, dass Sie weiterhin Autonomie, Kompetenz und Sinn erfahren können.
  • Sind Sie in einem der suboptimalen Zustände gelandet?
    • Uninteressiert? Die gute Nachricht: Diesen Zustand verlässt man schon ein bisschen, wenn man darüber nachdenkt, was einen motiviert – entweder in dem man die Tätigkeit einfach aufgibt oder sich in einen anderen Zustand der Motivation bewegt.
    • Extern? Benutzen Sie die «5 Whys»: Fragen Sie sich, warum Sie die externe Belohnung möchten. Und warum das? Und warum das? Früher oder später werden Sie vermutlich bei einem Ihrer Werte landen – etwas, das Ihnen eigentlich wichtiger ist als die Belohnung. Wenn Sie sich diesen Zusammenhang verdeutlichen, haben Sie sich plötzlich in den «Aliniert»-Zustand weiterbewegt.
    • Aufgezwungen? Fragen Sie sich, ob die andere Person wirklich möchte, dass Sie sich so fühlen (Wie wäre es für Sie im umgekehrten Fall?). Woher kommt das Gefühl, dass Sie keine andere Wahl haben? Versuchen Sie im Gegenzug, sich über Ihre eigenen Werte im Klaren zu sein. Was ist Ihnen wirklich wichtig im Leben? Finden Sie einen Zusammenhang zwischen diesen Werten und der Tätigkeit?

Möglicherweise haben Sie sich jetzt schon in einen optimalen Motivationszustand weiterbewegt, möglicherweise auch nicht. Geben Sie nicht auf, beschäftigen Sie sich kontinuierlich damit oder gönnen Sie sich ein Coaching. Das wiedergewonnene Wohlbefinden bei der Arbeit ist es auf jeden Fall wert.

Was mache ich als Führungskraft, wenn die Mitarbeiter schlecht motiviert sind?

Aus dem Obigen geht hervor, dass Sie als Führungskraft direkt höchstens extern oder aufgezwungen motivieren können (durch Prämien, Versprechungen auf höheren Status, Androhung von negativen Konsequenzen, emotionale Erpressung…), was leider kein nachhaltiger Ansatz ist. Sie können aber indirekt sehr wohl auf den Motivationszustand Ihrer Mitarbeiter Einfluss nehmen:

  • Schaffen Sie möglichst ein Umfeld, in dem die Mitarbeiter Autonomie erfahren können, einen Sinn finden können (siehe hier) und sich selber als kompetent erleben können (z. B. Möglichkeit, Neues zu lernen und Wissen/Können zu zeigen).
  • Seien Sie sich selber im Klaren über Ihre Motivation. Warum wollen Sie, dass Sie motivierte MitarbeiterInnen haben? Wenn Sie selber von einem suboptimalen Motivationszustand aus führen (z. B. wegen externen Prämien, einer guten Beurteilung in der Mitarbeiterumfrage), werden das Ihre MitarbeiterInnen höchstwahrscheinlich spüren und selber auch eher suboptimal motiviert sein. Sie haben hier – wie überall – eine Vorbildwirkung.
  • Helfen Sie Ihren Mitarbeitern, regelmässig über ihren Motivationszustand zu reflektieren:
    • Stellen Sie gemeinsam für eine ungeliebte Tätigkeit die «Warum?»-Frage: Warum möchte die Mitarbeiterin das nicht machen? Und warum das? Und warum das? Möglicherweise taucht so ein Zusammenhang mit eigenen Werten auf.
    • Seien Sie offen, wenn dabei Anregungen auftauchen, wie die Erfahrung von Autonomie, Kompetenz und Sinn der einzelnen MitarbeiterInnen gesteigert werden könnten.
    • Helfen Sie den MitarbeiterInnen, sich über ihre eigenen Werte im Arbeitsumfeld im Klaren zu sein.
    • Regen Sie die MitarbeiterInnen dazu an, einen Zusammenhang zwischen den eigenen Werten und der Tätigkeit zu finden.

Das Reflektieren über die eigene Motivation ist spannend – für verschiedene Tätigkeiten im Berufsalltag findet man plötzlich ganz unterschiedliche Motivationszustände. Vielleicht konnte ich Ihnen ein paar Anregungen geben, wie Sie konstruktiv mit Ihrer Motivation und der Motivation Ihrer Mitarbeiter umgehen können. Gerne helfe ich Ihnen auch dabei, Motivationszustände in einem Workshop oder einem Einzelcoaching noch näher zu beleuchten (kontakt@in-gang.ch).


Inspiration: Fowler, S. (2017). Why Motivating People Doesn’t Work… and What Does: The New Science of Leading, Energizing and Engaging. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers.