Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrem Team gefeiert? Es gibt Teams, die feiern jeden Freitag den Feierabend. Andere feiern Geburtstage, Abschiede, Neueinstellungen. Viele feiern den erfolgreichen Abschluss eines Projektes oder Sprints, und neuerdings feiern gewisse Teams auch, wenn etwas gehörig schiefgegangen ist (sogenannte «Fuck-Up-Nights»). Braucht es das oder ist das nichts als ein neuer Hype? Was gewinnen Teams, die feiern, gegenüber solchen, die nicht feiern?
Rituale für Stabilität und Struktur
Feiern ist ein Ritual, und Rituale schaffen Struktur im Alltag. Wie verhält man sich, wenn die Kollegin ein Kind bekommen hat? Wie gehen wir damit um, wenn jemand kündigt? Es gäbe viele Möglichkeiten, wie der einzelne hier reagieren kann. Das Ritual regelt, welche Verhaltensweisen angezeigt und «üblich» sind – für alle Parteien. Auch wenn sich gewisse Dinge ändern, das Ritual bleibt, reduziert die Komplexität und gibt Stabilität. Es schafft auch Gleichheit – man stelle sich vor, gewisse Projektabschlüsse oder Geburtstage würden mit einem Essen im Team gefeiert, andere nicht. Was würde das wohl bei den Beteiligten auslösen? Damit sind wir schon beim ersten Punkt: Werden Rituale in Teams verwendet, so ist es wichtig, dass dies auch konsistent geschieht. Sonst tragen sie mehr zur Vergrösserung von Unsicherheit und Komplexität bei, als diese zu reduzieren!
Rituale dienen auch dazu, ein gemeinsames Verständnis dafür zu schaffen, wo man gerade in einem Zyklus steht. In der Natur gibt es den Zyklus der Jahreszeiten. Die bäuerliche Kultur hat sich daran mit dem Zyklus von Säen und Ernten angepasst. Den Abschluss des Zyklus bildete das Erntedankfest. Der Mensch kann nicht dauernd nur auf Hochtouren leisten, es braucht auch Zeiten der Erholung und der Konsolidierung. Ein gemeinsames Ritual schafft Orientierung, wo man sich im Zyklus gerade befindet. Bei Scrum gibt es die Retrospektive am Ende des Sprints. In der skalierten Agilität mit SAFe ist mit dem «Innovation and Planning Sprint» zusätzlich ein längerer Konsolidierungszeitraum eingebaut. Das Feiern eines Projektabschlusses oder des Sprintendes markiert das Ende eines Zyklus und schafft Energie für das Angehen von Neuem.
Feiern ist Wertschätzung
Feiern ist aber auch eine Gelegenheit zum Zeigen von Wertschätzung. Allzuoft geht diese Wertschätzung leider im operativen Alltag unter, man fokussiert auf Probleme und Fehler statt auf das, was gut gelaufen ist. Sponsort die Organisation oder die Führungskraft das Feiern eines Projektabschlusses für das ganze Team, so ist mindestens dies eine sichtbare Anerkennung für die geleistete Arbeit. Wichtig ist aber, dass die Anerkennung auch ausgesprochen wird: Dem Team und den Einzelpersonen für konkrete Leistungen, die man gesehen hat, seine Begeisterung zeigen. So ist die Wertschätzung authentisch und an konkretes Handeln angebunden.
Was nämlich nicht zielführend ist: Gewisse Organisationen haben offenbar einen «Tag des Mitarbeiters», an dem die Führungskräfte den MitarbeiterInnen kollektiv «Danke!» sagen. Dies ist zwar ein Ritual (und schafft als solches Sicherheit und Struktur für jene Führungskräfte, die Mühe mit dem Zeigen von Wertschätzung haben!). Es bleibt aber oberflächlich und verliert für die MitarbeiterInnen schnell an Glaubwürdigkeit – Wertschätzung um der Wertschätzung willen. Was noch schlimmer ist: Da die Wertschätzung ja sowieso an einem bestimmten Tag stattfindet, kann man den Rest des Jahres getrost darauf verzichten…
Feiern steigert natürlich auch den Zusammenhalt im Team. Beim Feiern bietet sich die Gelegenheit, sich ausserhalb des Arbeitskontextes kennen zu lernen. So entsteht mehr Verständnis und schliesslich auch mehr Vertrauen zueinander. Gemeinsame Erlebnisse schaffen gemeinsame Geschichten, die man sich immer wieder erzählt. Diese sind wertvolle Bausteine für das Entstehen einer gemeinsamen Teamkultur. Diese wiederum bestimmt, wie und was gefeiert wird. Während das eine Team gepflegt zusammen essen geht, trinkt das andere in den Büroräumlichkeiten ein Bier zusammen und benutzt eine Konfettikanone.
Remote feiern? Jetzt erst recht!
Feiern ist gerade jetzt, wo viele Teams sich nicht täglich sehen, besonders wichtig. Den Zusammenhalt steigern, Wertschätzung zeigen, Orientierung geben – alles wichtiger als je. Vielleicht kann sich Ihr Team doch noch ab und zu zum Feiern treffen. Wenn sich das Team aber vorwiegend digital sieht, stellt das viele Teams vor Herausforderungen. Viele herkömmlichen Rituale funktionieren remote nicht mehr richtig, da sie stark auf der persönlichen Präsenz aufgebaut sind. Wenige Feier-Rituale lassen sich 1:1 auf das virtuelle Setting übertragen – aber einen Versuch ist es wert.
- Funktioniert das Feierabendbier oder die Projektabschlussfeier bei Ihnen auch virtuell, d.h. nehmen die Teammitglieder regelmässig daran teil?
- Wenn nicht: Wie schaffen Sie es trotzdem, den Beteiligten zu zeigen, wo im Zyklus sie sich befinden und ob gerade eine Ruhephase oder eine Hochleistungsphase herrscht?
- Zeigen Sie den Teammitgliedern regelmässig Ihre Wertschätzung, zum Beispiel im Rahmen von 1:1 oder in dem Sie dies vermehrt in Teammeetings ansprechen. Auch virtuelle Kudo-Karten (kudobox.co) können beim Zeigen und Sichtbarmachen von Wertschätzung helfen.
- Benutzen Sie kreative Lösungen zum Zeigen, dass es gerade etwas zu feiern gibt: Ändern Sie Ihr Chat-Icon , fügen Sie einen Banner im Team-Intranet ein, wählen Sie Hintergrundmusik am Anfang des Teammeetings oder einen lustigen Zoom-Hintergrund, verschicken Sie kleine Aufmerksamkeiten per Post…. Schon kleine Dinge können eine grosse Wirkung haben und zeigen den Teammitgliedern, dass ihre Leistung gesehen wurde!
- Wenn Sie normalerweise Geburtstage/Abschiede/Neueintritte feiern: Bleiben Sie hier unbedingt dran, schaffen Sie ein neues, virtuelles Ritual! Mindestens eine gemeinsam unterschriebene Karte funktioniert auch online. Oder machen Sie mit allen Teammitgliedern ein Video für die betreffende Person.
- Achten Sie penibel darauf, dass bei Ritualen Gleichheit herrscht – auch in sich verändernden Kontexten. Wenn der eine Geburtstag oder der andere Projektabschluss nicht gefeiert wurde, weil das Team sich nicht sehen konnte: Holen Sie dies nach. Gehen Sie nicht einfach zur Tagesordnung über.
Ich hoffe, ich habe Sie mit diesem Artikel überzeugt, wie wichtig das Feiern im Unternehmenskontext eigentlich ist. Wenn Sie weitere Ideen oder Fragen haben, schreiben Sie mir gerne auf kontakt@in-gang.ch.