Das Jahresende rückt näher. Es ist in vielen Unternehmen die Zeit, in der Ziele überprüft und neue Ziele gesetzt werden. In der Tat sind Ziele etwas Wichtiges und haben mehrere interessante Aspekte: Wer sie bestimmt, wann sie gesetzt und überprüft werden und natürlich, was ihr eigentlicher Inhalt ist. Ich habe mir deshalb vorgenommen, hier ein paar populäre Modelle zum Umgang mit Zielen zu präsentieren.
Warum braucht es Ziele?
Schaffen Ziele mehr Stress als Nutzen? Könnten wir auch einfach ohne Ziele arbeiten? Vermutlich nicht. Selbst wenn kein explizites Ziel gesetzt wird, entsteht ganz schnell wieder ein implizites. Ziele hängen mit der Motivation zusammen, und diese entsteht ganz unwillkürlich (wie im Artikel hier beschrieben). Wer offiziell kein Ziel hat oder sich damit nicht identifiziert, strebt womöglich immer noch danach, seine acht Arbeitsstunden möglichst interessant hinter sich zu bringen (inhärente Motivation). Oder das Ziel ist, möglichst fleissig auszusehen, auch wenn es nichts zu tun gibt (externe oder aufgezwungene Motivation). Ist das explizite oder implizite Ziel verbunden mit etwas, was ich für sehr sinnvoll halte und was mit meinen Werten übereinstimmt? Dann bin ich im erstrebenswerten Zustand von alinierter oder integrierter Motivation. Kein Ziel zu setzen ist also keine Option – ganz abgesehen davon, dass man als grösseres Unternehmen vermeiden will, dass sich zuviele Menschen nicht im Sinne des Ganzen betätigen.
Psychologische Forschung hat ausserdem gezeigt, wie Ziele im Zusammenhang mit alinierter oder integrierter Motivation positiv wirken können. Wichtig dabei ist das Wahrnehmen von Fortschritt. Allein schon das Gefühl, vorangekommen zu sein, ist eine Energie und Motivationsquelle und steigert dadurch die Produktivität und Kreativität (siehe dazu The Power of Small Wins). Dabei spielt es offenbar nicht einmal eine Rolle, wie gross die Fortschritte sind – der Effekt auf die Gefühlswelt und Motivation bleibt derselbe. Einziger Knackpunkt: Das Ziel und somit die Arbeit muss von den Beteiligten als sinnvoll empfunden werden. Es empfiehlt sich also die Ziele klug zu wählen und für eine gute Visualisierung des Fortschritts zu sorgen.
Die Baseline: Ziele für Fokus und Alignment
Was aber ist ein sinnvolles Ziel? Je grösser die Firma, desto wichtiger ist es, dass alle am gleichen Strick ziehen. Ziele können ein Weg sein, wie man das grosse Ganze zusammenhält. Viele Unternehmen arbeiten deshalb mit den (eigentlich von Peter Drucker begründeten) «Management by Objectives» (MbOs). Das Hauptziel hier ist Alinierung innerhalb des Unternehmens. Zuerst bestimmt die oberste Führung die strategischen Ziele. Darauf ausgerichtet erarbeitet dann jede Führungkraft in der Hierarchie jeweils mit den MitarbeiterInnen im privaten Gespräch deren Jahresziele. Die Ziele kaskadieren also wie ein Wasserfall von oben nach unten durch die Organisation.
Allerdings hat diese Methode auch Nachteile: Bis die strategischen Ziele von oben in den Zielen ganz unten angekommen sind, braucht es eine gewisse Zeit. Die MitarbeiterInnen können ihre Ziele jeweils erst bestimmen, wenn die Führungskraft ihre eigenen Ziele bestimmt hat. Der Fokus auf die Zielsetzung der Einzelpersonen kann zu ungesundem Wettbewerb innerhalb von (Führungs-)Teams führen. Auch bleibt bei der Zielsetzung wenig Platz für lokales Wissen oder lokale Initiativen der Menschen, die direkt mit den Kunden arbeiten. Für viele MitarbeiterInnen sind die von hoch oben kommenden und manchmal verwässerten Ziele deshalb wenig inspirierend.
Das traditionelle Setting im Jahresrhythmus ist zudem etwas starr – Ziele können während eines Jahres obsolet werden und müssen dann dennoch verfolgt werden, um bei der daran hängenden Beurteilung gut abzuschneiden. Wenn das gar nicht mehr möglich ist, demotiviert das die MitarbeiterInnen enorm und wertet das Setzen von Zielen generell ab.
Zielsetzung: Agil und mit mehr Mitbestimmung!
Aus diesen Gründen sind neue Methoden der Zielsetzung populär geworden. Sie stehen unter der Abkürzung «FAST»: frequently discussed, ambitious, specific, transparent (siehe «With Goals, FAST beats SMART«). Eine bekannte Variante von FAST-Zielen sind OKRs («Objectives-Key Results«), welche seit ihrem Einsatz ab 1999 bei Google populär wurden.
Ein OKR kombiniert ein Ziel (Objective) mit den messbaren Kriterien für die Zielerreichung (Key Results). Auch bei OKRs geht es um Alinierung und Ausrichtung der ganzen Firma. Die strategischen Ziele sind auch hier in der Regel jährlich bestimmt. Aber die taktischen Ziele sind flexibler, und zwar auf Teamebene wie auf Personenebene. Bei OKRs sind sowohl bei der konkreten Ausgestaltung der Ziele und zu erreichenden Resultate die jeweils betroffenen Teams und Mitarbeiter involviert. Taktische OKRs werden für kürzeren Intervallen gesetzt (meist quartalsweise) und bezüglich des Fortschritts überprüft (meist wöchentlich). Alle OKRs sind vollständig transparent (alle Ziele sind für alle sichtbar). Ambitioniert bedeutet bei OKRs: Wenn ein Team 100% seiner OKRs erreicht, dann waren die Ziele nicht ambitioniert genug! Es ist also explizit nicht vorgesehen, dass 100% erreicht werden können – normalerweise werden 60-70% anvisiert.
Wie in diesem Beitrag aufgezeigt, ist aber gerade das «Spezifische» und «Ambitionierte» auch bei OKRs manchmal problematisch. Der enge Fokus verhindert Kreativität und kann zur Vernachlässigung von anderen wichtigen Aspekten der Arbeit führen. Zuviel Ambition in der Zielsetzung wiederum begünstigt Burnouts oder sogar unethisches Verhalten. Es sinkt die Motivation, einander (bzw. teamübergreifend) zu helfen und Synergien zu nutzen. Der Fokus geht weg vom geschaffenen Wert auf den Wettbewerb. Diese negativen Aspekte gilt es im Auge zu behalten. Google z.B. verzichtet explizit darauf, durch monetäre Belohnung (Bonus) den Wettbewerb um die Zielerreichung zusätzlich anzuheizen. Auch kann man gezielt Key Results (Messkriterien) miteinander balancieren (z.B. Zusammenarbeitsbeurteilung des andern Teams ebenfalls als Kriterium einbeziehen). Sowohl beim Formulieren von Zielen als auch bei der Kommunikation von Fortschritt gibt es ebenfalls Spielraum, dem ungesunden Wettbewerb einen Riegel zu schieben.
SMART, wertbasiert oder relativ: Ziele sinnvoll formulieren
Ein verbreitetes Modell, um Ziele zu formulieren ist die Abkürzung SMART (Specific, Measurable, Achievable, Realistic, Timely). Spezifisch bedeutet, dass klar sein sollte, was genau wie und warum erreicht werden sollte. Messbar verlangt eine Antwort auf die Frage, woran man merken würde, dass das Ziel erreicht ist. Erreichbar wiederum heisst, dass die verfügbaren Ressourcen ausreichen und das Ziel nicht zuviele unwägbare Abhängigkeiten hat. Realistisch setzt das Ziel in den Kontext: Halte ich das Ziel für sinnvoll und motiviert es mich? Zeitlich fixiert bedeutet, dass auch der Zeitraum oder die Deadline für die Zielerreichung klar ist.
Neben diesen formalen Kriterien gibt es aber noch weitere Unterscheidungen. Man kann ein Ziel sowohl wertbasiert wie auch aktivitätsbasiert festlegen. Diese diese Unterscheidung ist vor allem bei OKRs wichtig, welche klar die wertbasierten Ziele favorisieren.
Wertbasierte versus aktivitätsbasierte Ziele
Messe ich den geleisteten Aufwand (Tätigkeiten) oder die Resultate? Aktivitätsbasierte Ziele, welche Tätigkeiten messen, bestehen in der Regel aus einem Verb (z.B. Blogpost publizieren, Konzept X fertigstellen, neue Version releasen…). Wertbasierte Ziele hingegen enthalten meist zusätzlich eine Zahl, welche direkt mit dem Unternehmenserfolg zu tun hat. Beispiele wären hier: Die Net Promoter Score von 25 auf 40 steigern, 3 Workshops verkaufen. Aktivitätsbasierte Ziele sind oft einfacher zu finden und zu formulieren. Es besteht allerdings die Gefahr, dass der Blick aufs Wesentliche verloren geht. Bei wertbasierten Zielen für kurze Zeiträume können allerdings Dinge verloren gehen, die kurzfristig schwierig zu messen sind (z.B. Qualität der Führung, Mitarbeiterzufriedenheit, Image der Firma). Auch Experimente, von welchen noch nicht klar ist, was ihr Nutzen ist, werden dann eher vermieden.
Absolute versus relative Ziele
Nützlich ist auch die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Zielen (ein Prinzip, dass u.a. auch im Beyond Budgeting wichtig ist ). Die wertbasierten Beispiele oben sind absolut formuliert. Relativ würde im Gegenzug heissen: Nicht «Net Promoter Score von 25 auf 40 steigern«, sondern «Den besten Net Promoter Score aller konkurrierenden Firmen im Raum D-A-CH haben«. Nicht «Die Kosten auf den Wert X senken«, sondern «Im Vergleich zur Konkurrenz die effizientesten Prozesse haben«. Solche Ziele sind realistischer, weil sie das volatile Umfeld miteinbeziehen (wenn die Börse crasht, sind fixe Ziele unrealistisch, relative noch erreichbar). Sie bewirken auch, dass sich der Wettbewerb auf die Konkurrenz bezieht, und nicht auf einzelne Abteilungen innerhalb des Unternehmens.
5 Leitgedanken für die Zielsetzung
Was folgt nun daraus? Vielleicht helfen Ihnen diese fünf Orientierungspunkte beim erfolgreichen Setzen von Zielen:
- Ziele sind nützlich, um Organisationen gemeinsam strategisch auszurichten. Schaffen Sie daneben aber immer ebenso wichtige Freiräume für Kreativität und Innovation ausserhalb des momentanen Fokus.
- Ermöglichen Sie den MitarbeiterInnen, aus kleinen täglichen Fortschritten Energie zu tanken. Setzen Sie sinnvolle Ziele und machen Sie den Fortschritt transparent (z.B. mit einem Kanban-Board).
- Achten Sie darauf, dass die Transparenz bei Zielen nicht dazu führt, dass Teams, Abteilungen oder Einzelpersonen gegeneinander in den Wettbewerb gehen («Wir schaffen 95% Zielerreichung, die aber nur 65%!»)
- Behalten Sie im Auge, Ihre Mitarbeiter durch ambitionierte Ziele nicht zu verheizen. Zu den Spielregeln rund um Ziele gehört auch, für sich selber einen nachhaltigen Umgang mit der eigenen Energie zu behalten.
- Bei Ziellerreichung: Zeigen Sie Ihre ehrliche Wertschätzung oder feiern sie gemeinsam – lieber, als mit Geld zu belohnen!