Wie bringe ich mein Team dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen? Oft ist diese Frage das zentrale Thema, wenn Führungskräfte eine Teamentwicklung wollen. Denn das alte Modell – die Führungskraft befiehlt und hat dafür auch die Verantwortung, das Team gehorcht blind – funktioniert in vielen modernen Unternehmen nicht mehr. Die Welt ist einfach zu komplex dafür geworden, als dass die Führungskraft allwissend die Entscheide allein treffen und immer bei jedem Vorgang involviert werden könnte. Entscheide müssen schnell und lokal getroffen werden, SpezialistInnen sollen sich einbringen, das Wissen, die Kreativität und die Erfahrung aller Teammitglieder soll genutzt werden. Zudem ist Autonomie für die MitarbeiterInnen ein wesentlicher Faktor für die Motivation.
Der erste Schritt: Rahmen, Ziele, Wertschätzung kommunizieren
Der erste Schritt, damit das Team Verantwortung übernehmen kann, ist das Setzen und Kommunizieren eines klaren Rahmens. Wofür geben Sie dem Team die Verantwortung ab? Welche Entscheidungen liegen ab sofort innerhalb des Teams, welche nicht? Kommunizieren Sie auch, warum: Zeitersparnis, Fachwissen, lokale Einschätzungen, Diversität – hier können Sie ihre Wertschätzung für die Stärken des Teams anbringen. Achtung: Wenn der Eindruck entsteht, Sie wollten ohne Wertschätzung Verantwortung einfach abwälzen, ist die Aktion schnell zum Scheitern verurteilt.
Setzen Sie auch klare Ziele: Welche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden? Welche Ergebnisse erwarten Sie? Woran erkennen Sie und das Team ein gutes Resultat? Wann wird überprüft? Handeln Sie diese Resultate mit dem Team aus, vermeiden Sie es, diese einfach von oben fest zu legen. Machen Sie dem Team vielmehr transparent, in welchen grösseren Kontext es eingebettet ist (Purpose). Überlegen Sie gemeinsam, wie sie mit von aussen definierten Zielen umgehen. So zeigen Sie, dass Sie das Team in seiner Kompetenz ernst nehmen und tatsächlich für verantwortungsvoll halten.
Für Sie als Führungskraft hat das noch weitere Auswirkungen: Überprüfen Sie, dass Sie mit den Entscheiden des Teams in diesem Bereich auch wirklich leben können, egal wie diese ausfallen. Das ist nicht immer einfach: Was machen Sie, wenn das Team eine Lösung findet, an die Sie nicht gedacht hätten? Können Sie sich ehrlich darüber freuen? Haben Sie die Geduld, den vereinbarten Überprüfungszeitraum einzuhalten, auch wenn es gerade nicht so gut läuft? Es ist nichts tödlicher für die Übernahme von Verantwortung im Team, als wenn gefundene Lösungen nachträglich von der Führungskraft «korrigiert» werden, oder die Führungskraft selber die getroffenen Vereinbarungen bricht.
Mehr Verantwortung: Flow für Ziele nutzen, Fähigkeiten unterstützen
Beim Setzen von Zielen ist das Flow-Konzept von Mihaly Csikszentmihalyi nützlich (siehe Bild): Setzen Sie die Ziele so, dass das Team gefordert, aber nicht überfordert ist. Je höher die Fähigkeiten im Team, desto anspruchsvoller kann die Aufgabe sein.
Daraus folgt die nächste Voraussetzung: Ist das Team überhaupt fähig, die von Ihnen anvisierte Verantwortung zu tragen? Eventuell ist zuerst eine Weiterbildung für einzelne Teammitglieder nötig, oder aber Sie können sich Experten ins Team holen, welche das vorhandene Wissen und Können sinnvoll ergänzen. Überlegen Sie sich unbedingt, wie Sie das Team in schwierigen Momenten unterstützen können und kommunizieren Sie das auch. Wenn Sie dem Team Verantwortung übertragen, die es gar nicht übernehmen kann, ist niemandem gedient.
Team Commitment – macht das Sinn?
Gerade in agilen Methodologien wie Scrum ist oft von «Teamverantwortung» (team commitment) die Rede. Gemeint ist dabei, dass nicht ein Individuum die Verantwortung für die Erledigung einer Aufgabe übernimmt, sondern das Team als Ganzes. Die Vorteile dabei sind ein gestärkter Teamgeist, eine höhere Redundanz (wenn jemand ausfällt, ist das Team trotzdem noch handlungsfähig), eine gleichmässigere Auslastung sowie ein Anreiz zum Teilen von Knowhow, zu effizienter Kommunikation und zum gegenseitigen Voneinander-Lernen. Diese Teamverantwortung kann man jedoch nicht einfach von oben verordnen. Das Team wird an der kollektiven Verantwortung scheitern, solange nicht folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Knowhow der Teammitglieder hat mindestens teilweise Überschneidungen, mehrere Teammitglieder benutzen dieselben Werkzeuge, die Teammitglieder sind nicht zu stark spezialisiert. Ein Gärtner, eine Ärztin und eine Softwareentwicklerin, welche zusammen an einer Aufgabe arbeiten? Diese können sich schlechter committen, dass sie zusammen ans Ziel kommen, selbst wenn eine/r von ihnen ausfällt. Bei zwei Softwareentwicklern im Team mit zwei Systemadministratorinnen dürfte dies eher funktionieren.
- Das Anreizsystem (und die Führung!) belohnt Zusammenarbeit und nicht Einzelleistungen. Sind die Anreize von aussen so gesetzt, dass Einzelkämpfer belohnt werden, wird der Einzelkämpfer bei Erfolg den Bonus für sich beanspruchen und bei Misserfolg das Team verantwortlich machen.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, können Sie die Verantwortung zwar trotzdem ins Team abgeben. Sie können so immer noch schneller zu entscheiden und lokales Wissen einzubeziehen. Gemeint ist dann jedoch eher, dass Individuen im Team Verantwortung für einzelne Entscheide übernehmen, statt das ganze Team.
Verantwortung ins Team: 5 Tipps
Wie schaffe ich es nun, dass mein Team mehr Verantwortung übernimmt? Zusammenfassend lässt sich sagen:
- Seien Sie transparent, was Ihre Erwartungen und die Aufgabe des Teams betrifft.
- Lassen Sie das Team in schwierigen Situationen nicht allein. Fragen Sie nach, bieten Sie Ihre Hilfe an, kümmern Sie sich um die externen Stakeholder. Seien Sie aber konsequent mit der Abgabe von Verantwortung, auch wenn es am Anfang nicht so rund laufen sollte.
- Entwickeln Sie die Fähigkeiten in Ihrem Team, um immer mehr Verantwortung zu übernehmen.
- Zeigen Sie Ihre Wertschätzung, wenn das Team die Verantwortung wahr nimmt – dies ist nicht selbstverständlich!
- Wenn Sie zu reeller «Teamverantwortung» kommen möchten: Setzen Sie sich dafür ein, dass das Team Gelegenheiten für Knowhow-Austausch und gegenseitiges Lernen bekommt. Kommunizieren Sie dem Team klar, dass dies erwartet wird. Gestalten Sie ein sinnvolles Anreizsystem in Ihrer Firma mit.